Neben dem Häuptling, war der Medizinmann die herausragendste Persönlichkeit innerhalb eines Indianerstammes. Das Wort stammt aus der Sprache der Chippewa und lautet im Original »Medewiwin«. Die europäischen Einwanderer leiteten schließlich daraus das Wort »Medizinmann« ab.
Obwohl der Ausdruck darauf schließen lässt, war der Medizinmann keineswegs nur für die Heilung von Kranken und die Behandlung von Wunden zuständig. Er war vielmehr der Mittler zwischen dem Übersinnlichen und dem Weltlichen, sowie Überlieferer von Brauchtum und Sitten. Der Medizinmann stand mit den Geistern und mit den Seelen Verstorbener in enger Verbindung, und vertrieb mit Hilfe seiner Zauberkraft böse Geister. Dazu versetzte er sich durch rituellen Tanz in Ekstase oder in Trance, wobei das letztere auch häufig durch Drogen hervorgerufen wurde. Schließlich knüpfte er den Kontakt mit dem Jenseits, oder holte die kranken Seelen seiner Patienten aus ihren Körpern, um diese zu heilen.
Neben diesen Aufgaben war er auch noch für die Beschaffung des richtigen Wetters verantwortlich. Außerdem war er Psychologe, Priester und Wahrsager. Seine Visionen wurden von den Indianer Nordamerikas sehr ernst genommen. So hatte beispielsweise Sitting Bull – der auch Medizinmann war – eine Vision über einen Angriff der US-Armee auf einem Indianerdorf, bei dem alle Soldaten getötet würden. Diese Vision erfüllte sich dann tatsächlich, bei der Schlacht am Little Big Horn. Medizinmänner, die all diese Künste beherrschten, wurden auch Schamane (siehe Schamanismus genannt.
Allerdings beschränkte sich die Heilkunst des Medizinmannes nicht nur auf Zauberkräfte. Auch in der Naturmedizin kannte er sich hervorragend aus. Für jedes Zipperlein, aber auch für schwere Krankheiten hatte er Kräuter und Tinkturen. Minze gegen Übelkeit, Stinkkohl gegen Asthma und Fichtenzapfen gegen Halsschmerzen sind nur einige Heilmittel, die er benutzte. Aderlass, Massagen und Schwitzbäder gehörten ebenfalls dazu. Der Medizinmann wandte aber auch psychologische Tricks an. So umtanzte er den Kranken und schlug währenddessen ständig eine Trommel, bevor er ihm schließlich – nach mehreren Tagen – irgendwelche Gegenstände wie z. B. Steine, Knochen oder Käfer aus seinem Körper saugte, die für die Krankheit verantwortlich gewesen sein sollen. In Wirklichkeit benutzte er aber diverse Taschenspielertricks, und sorgte so für einen Placeboeffekt bei seinem Patienten.
Ob die Medizinmänner vorwiegen mit psychologischen Tricks arbeiteten, so dass man sie mehr als Scharlatane bezeichnen konnte, ob sie mehr die Naturmedizin eingesetzt haben, oder ob sie tatsächlich übersinnliche Kräfte und Wahrnehmungen hatten, sei dahin gestellt. Aufgrund des Glaubens und der Religion bei den nordamerikanischen Naturvölkern, war der Medizinmann bei jedem Stamm unentbehrlich.
siehe Religion der Indianer
nach www.wilder-westen-web.de/rdi004.htm