Fundamentalismus


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lateinisch fundamentum: Grundlage, Basis

Das Wort »Fundamentalismus« ist eine generalisierende Bezeichnung für eine geistige Haltung oder Anschauung, die durch ein starres und kompromissloses Festhalten an ideologischen, philosophischen oder religiösen Grundsätzen gekennzeichnet ist.

Gewöhnlich wird der Begriff nur auf die Religion bezogen – und hier zumeist auf den Islam (»Islamischer Fundamentalismus«); doch ist der Fundamentalismus eine Erscheinung, die sich nicht nur in den Religionen – und schon gar nicht nur im Islam – widerspiegelt. Auch innerhalb der weltanschaulichen Ideologien (Marxismus, Linke, Rechte, Grüne) oder philosophischen und humanwissenschaftlichen Denkschulen gibt es Strömungen, die fundamentalistische Positionen vertreten.

Der religiöse Fundamentalismus resultiert aus der Auseinandersetzung mit Fragen wie: Wahrheit, Lehramt (Dogma), Legitimität und Tradition (Überlieferung).

Im Christentum reicht die Kontroverse um solche Probleme bis in die Anfänge der Kirchengeschichte zurück und bestimmte seither ununterbrochen die innerkirchliche Diskussion. In der Neuzeit entzündete sich der Fundamentalismus im späten 19. Jh. vor allem in den USA als Reaktion auf den liberalen Protestantismus. Eine an Zahl und Einfluss starke Strömung richtete sich gegen eine moderne Bibel-Interpretation und beharrte auf tradierten Standpunkten, welche sie als allein wahr deklarierte. Es sind dies: Die biblische Schöpfungsgeschichte, die wörtliche Irrtumslosigkeit der Bibel, die Göttlichkeit Jesu Christi, die Jungfrauengeburt, die leibliche Auferstehung von den Toten und die Wiederkehr Christi am Ende der Zeiten.

Zahlreiche Sekten und Evangelikale Gemeinschaften (vor allem nordamerikanischer Provenienz) beharren bis heute mit Vehemenz auf solchen Positionen, die sie mit allen Mitteln gegen abweichende Denkansätze verteidigen. Wie stark sich solch fundamentalistische Ansichten zu behaupten vermögen, zeigt sich unter anderem darin, dass in einigen amerikanischen Bundesstaaten die Darwinsche Evolutionstheorie an öffentlichen Schulen nicht gelehrt werden darf – und das nicht nur im Religionsunterricht, sondern auch in den naturwissenschaftlichen Fächern (Biologie, Anthropologie usw.).

Fundamentalistische Strömungen treten auch im Katholizismus (Opus Dei und andere), im Judentum (Ultraorthodoxes Judentum) und selbst im sonst offenen und toleranten Hinduismus (Abgrenzung zum Islam und Christentum) in Erscheinung.

Im Islam richtet sich der Fundamentalismus (arab. us?lîya = Wurzel, Prinzip) gegen all jene Tendenzen, welche die wörtliche Wahrheit des Qur’ân (Koran) und die Gültigkeit seiner rituellen und gesetzlichen Gebote (siehe Scharia) zur Diskussion oder gar in Frage stellen. Anpassungen an veränderte Voraussetzungen werden dabei nicht in jedem Fall verneint, doch wird gefordert, dass sich diese nach den qur’ânischen Wertmaßstäben zu richten haben. Eine neuere Erscheinung des islamischen Fundamentalismus entstand in der Auseinandersetzung des Islam mit den säkularen (weltlichen) Ideen der euro-amerikanischen Welt. Unter allen Religionen ist der Islam jene, die wie keine andere gegen westliche Ideen (Modernismus, Säkularismus, Pluralismus, Demokratieverständnis, Individualismus) und ihre – teilweise auch negativen – Begleiterscheinungen (Globalisierung, Wertenihilismus, Gottlosigkeit, Egoismus, Libertinismus, sexuelle Freizügigkeit usw.) mobil macht und deren Einflüsse als zersetzendes Element der eigenen Kultur brandmarkt.

Fundamentalismus ist nicht einfach gleichbedeutend mit Rückständigkeit und geistiger Verengung. Ihm geht es auch um die Bewahrung von tradierten Werten, Normen und zivilisatorischen Errungenschaften. Das konservative (= bewahrende) Element ist – soweit es sich notwendigen Entwicklungen und der Anpassung an veränderte Sinnhorizonte und neue kognitive Erkenntnisse nicht verschließt – nicht einfach negativ zu bewerten; es ist auch ein Mittel zur Aufrechterhaltung einer historisch gewachsenen Kontinuität und damit ein notwendiges Gegenstück allen Fortschritts.