auch Urmeer
Nach dem Verständnis des Alten Testaments (Gen 1,1-2) ist das Urmeer oder die Urflut das Element des Chaotischen vor der Schöpfung (hebräisch tohu-wa-vohu: wüst und wirr). (siehe Tohuwabohu)
Im babylonischen Weltschöpfungsmythos besteht das Chaos aus einem männlichen Teil (Apsus, das Süßwassermeer) und dem weiblichen Teil (Tiamat, das Salzwassermeer), in dem die verschiedenen Götter geboren werden.
Gegen dieses Chaos kämpft die kosmische Ordnung, dargestellt am Kampf zwischen Marduk und Tiamat. Tiamat bedroht zusammen mit schrecklichen Ungeheuern die Ordnung der Welt. Marduk soll bei einem Sieg über Tiamat als oberster Gott der Götterversammlung anerkannt werden.
Tiamat wird schließlich von Marduk besiegt: Aus dem Körper der Tiamat formt Marduk die gesamte Welt. Er teilt den Leib der Getöteten in zwei Hälften. Aus der einen erschafft er den Himmel, an dem er den Standort der Sterne und den Lauf des Mondes bestimmt. Aus der anderen Hälfte formt er die Erde mit ihren Flüssen, insbesondere den Euphrat und den Tigris.
In der Bibel wurde dieser Schöpfungsakt nicht durch die Auseinandersetzung von Göttern erreicht, sondern durch die Befehlsworte Gottes. Aber auch nach der Schöpfung bleibt das Urmeer, das Element, das die Erde umgibt (Gen 1,9). Es wird weiterhin zum Sinnbild für Unheilvolles. Jahwes Zorn (Hab 3,8), das Erzittern der Meerestiefen vor ihm (Ps 77,17) und sein Kampf gegen die Meeresungeheuer (Jes 27,1) sind daher verständlich. Das Urmeer macht Angst, daher vertrauen die Menschen auf Gott, die dieser Unheilsmacht die Grenzen aufzeigt (Spr 8,29).
aus: Calwer Bibellexikon, Band 2, L-Z