Mystik


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(griechisch mystikós von mýein: einweihen; lateinisch mysticus: geheimnisvoll, dunkel), spezielle Frömmigkeitsform, die in allen großen Religionen verbreitet ist. Mystik bezeichnet die unmittelbare Schau der Gottheit, durch die der Eingeweihte die Kluft zwischen Mensch und Gottheit überwindet und zur mystischen Einheit (unio mystica) gelangt. Damit soll das Alltägliche im Bewusstsein hin auf die Erfahrung eines Göttlichen transzendiert werden.

Mystik ist religiöse Erfahrung, die man durch Meditation oder asketische Übungen (siehe Askese) erlangt. In dem Vedanta, einer hinduistischen Schriftensammlung, beschreiben Mystiker aus dem ersten vorchristlichen Jahrtausend solche Erfahrungen. Auch die drei abrahamitischen Religionen haben mystische Traditionen. Im Judentum heißt sie Kabbala, die des Islam nennt man Sufismus. Im Buddhismus gibt es ebenfalls mystische Traditionen (siehe Mystik (Buddhismus))

Paulus war der erste christliche Mystiker. Seine Briefe, die im Neuen Testament (siehe NT) enthalten sind, sowie das Johannesevangelium sind von einer tiefen Mystik geprägt. Als System geht die christliche Mystik jedoch auf den Neuplatonismus zurück, insbesondere auf die Schriften des Dionysius Areopagitas oder Pseudo-Dionysius. Im 9. Jahrhundert übersetzte der scholastische Denker Johannes Scotus Erigena dessen Werke aus dem Griechischen ins Lateinische und brachte so die mystische Theologie der östlichen Christenheit nach Westeuropa, wo sie sich mit der Mystik des Augustinus verband.

Im Mittelalter brachten die Klöster einige der berühmtesten Mystiker und Mystikerinnen hervor, die sowohl der östlichen wie der westlichen Kirche angehörten. Zu ihnen gehörte Hesychast, ein Mönch vom Berg Athos, in der östlichen sowie Bernhard von Clairvaux, Franz von Assisi, Theresa von Avila oder Hildegard von Bingen in der westlichen Kirche. Christliche Mystiker wie Johannes vom Kreuz bildeten im Mittelalter ein Gegengewicht zur Amtskirche. Sie glaubten, ohne Vermittlung eines Priesters zu Gott zu finden.

Das französische Kloster von Saint-Victoire bei Paris war im 12. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum der Mystik. Der berühmte Mystiker und Scholastiker Bonaventura war ein Schüler der Mönche von Saint-Victoire. Franz von Assisi, der seine Mystik unmittelbar aus dem Neuen Testament ableitete, gehört zu einer der zentralen Gestalten der modernen Mystik. Johannes Eckhart aus dem 13. Jahrhundert, auch Meister Eckhart genannt, gilt als der führende Vertreter der Tradition der deutschen Mystik.

Als moderne Mystiker aus dem deutschen Sprachraum gelten u.a. Anselm Grün, Willigis Jäger, Dorothee Sölle oder Jörg Zink.

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