Kollektivschuld


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Das AT hat ein sehr feines Gespür für das Phänomen Schuld: es ist sich bewusst, dass eine Fehlhandlung nicht einfach für sich besteht, sondern auch die Gemeinschaft, die Lebensatmosphäre insgesamt infiziert und dass deren schädliche Folgen sich auch entsprechend auswirken. Dieser Sachverhalt wird auch dadurch unterstrichen, dass Sünde/Schuld und Strafe als Folge terminologisch weitgehend ineinanderfließen (siehe Dtn 21,1-9; 2.Sam 24,17; Ex 34,7; siehe auch Tat-Folge-Zusammenhang.
Zum anderen wird sehr eindringlich auf die Verantwortung des Einzelnen für sein Verhalten gepocht: mit Entschiedenheit weist Ezechiel das gängige Sprichwort »Die Väter essen saure Trauben, und den Söhnen werden die Zähne stumpf« (Ez 18,2) zurück und macht demgegenüber geltend: »Nur wer sündigt, soll sterben« (Ez 18,4; Jer 31,29f).
Durch diese Korrektur eines falschen Kollektivschuldbewusstseins soll nicht nur die persönliche Verantwortung in Erinnerung gebracht werden, sondern zusätzlich der Unterschied von Schicksalsverflechtung und bleibender (innerer) Schuld markiert sein.
Kollektivschuld gibt es heute noch, wenngleich sie meist falsch verstanden wird. Denn schlechte Taten oder sorglose Unterlassungen zeitigen nicht nur bittere Folgen für die Umgebung und Nachwelt, sondern prägen und manipulieren Denkart und Gewissen, ja werden nicht selten fast zu Zwangsimpulsen oder zumindest zu Motiven für Untaten.