Das abendländische Denken stellt sich – anders als die Bibel – das Verhältnis von sittlichen Tun eines Menschen und seinem irdischen bzw. jenseitigen Schicksal so vor, dass über der Welt ein höchstes Wesen thront (Gott), das jedes Verhalten des Menschen registriert und darauf entsprechend reagiert, in dem es die guten Menschen belohnt und die bösen Menschen bestraft. Dem liegt eine Weltanschauung zugrunde, nach dem es neben dem neutralen Bereich der Natur einen Bereich der Sittlichkeit und der Werturteile gibt, mit dem es insbesondere die Religion zu tun hat. Altorientalisches Denken dagegen kennt solche Scheidungen nicht; sittliche Größen sind natürlich wirkende Kräfte. Diese Zusammenschau von Natur und Sittlichkeit und Natur und Geschichte findet sich auch in der Bibel. Zugrunde liegt die Vorstellung von einem Tat-Folge-Zusammenhang bei jedem Tun des Menschen. Jedes sittliche Tun eines Menschen wirkt auf den Täter zurück, lässt gleichsam um seine Person eine unsichtbare Hülle entstehen. die ihn begleitet und eines Tages in einer entsprechenden Folge auf ihn zurückschlägt. Oft wird dabei das Bild von Saat und Ernte gebraucht: das Ausreifen des Tat-Folge-Zusammenhangs führt dazu, dass der Täter die Früchte seiner Tat genießt – positiv wie negativ. Die Hülle des Tat-Folge-Zusammenhangs liegt aber niht nur um den Täter selbst; sie breitet sich auch über seine Angehörigen, seine Nachkommen, über sein Dorf, seine Äcker und bei schwiewiegenden Taten (z.B. eines Königs) über das ganze Land und Volk aus.
Diese Grundgegenheiten sind für uns Abendländer (siehe Abendland) schwer verständlich und man kam zu der irrigen Auffassung, dass Gott im AT ein Gott des Gerichts und der Vergeltung sei. Die Verbindung Gottes mit den guten oder bösen Taten des Menschen weist aber verschiedene Ebenen auf: er gibt den Menschen die Fähigkeit zum Tun des Guten; er wirkt unter Umständen Sühne und kann einem Menschen die »Hülle« des Unheils wegnehmen (siehe Tat-Folge-Zusammenhang im NT).