Gewissen


CC-BY  Mario Reinhardt Nachschlagen

Hinter dem Wort Gewissen verbergen sich zum Teil recht verschiedene Vorstellungen. Um welches Wissen handelt es sich dabei? Wann ist es zuständig? Wann nützlich? Die Existenz des Gewissens scheint also gewiss, ungewiss dagegen ist, was es denn nun wirklich ist.
Die Erfahrung sagt uns, das sich die vom Gewissen angezeigte Schuld nicht abwaschen läßt wie Schmutz von den Händen.
So findet Lady Macbeth, die ihren Gatten zum Königsmord verführt hat, nach Shakespeare keine Ruhe. Im Schlafwandel wäscht sie sich fortwährend die Hände und spricht dazu: »Verdammter Fleck, fort sage ich euch! Wollen denn diese Hände nie rein werden? Noch immer riecht es hier nach Blut.
J.J.Rousseau singt geradezu ein Preislied auf das Gewissen: »Gewissen! Gewissen! Göttlicher Instinkt, unsterbliche, göttliche Stimme; du sicherer Führer eines unwissenden, beschränkten, aber intelligenten und freien Wesens; du unfehlbarer Richter des Guten und des Bösen, der du den Menschen zum Ebenbild Gottes machst! …
Größeren Einfluß auf die Tradition des Gewissens hatte die Philosophie der Stoa. Im Gewissen, so lehrt sie, spricht sich das göttliche Weltgesetz aus.
So nennt auch der Stoiker Epiktet das Gewissen « den höchsten Führer« in sittlichen Entscheidungen und Seneca bezeichnet das Gewissen als »den Gott bei dir, in dir, mit dir. Nicht der Staat, sondern das Gewissen ist des Menschen letzter moralischer Parameter.
Die biblische Tradition verwendet schließlich, wenn von Gewissen die Rede ist, Bilder wie »Seele«, »Inneres« oder »Herz« des Menschen. Nach Paulus ist das Gewissensurteil auch für den verpflichtend, der die biblische Botschaft nicht kennt oder nicht übernehmen will. Gewissen ist ein Teil der geistig- personalen Natur des Menschen.
Die scholastische Philosophie des Mittelalters mit Thomas von Aquin an ihrer Spitze sieht das Gewissen als dem Menschen wesensmäßig zu eigen, als einen Teil seiner Natur, angelegt auf die Bewahrung seiner und der Identität der anderen. Es birgt in sich ein letztes moralisches Prinzip: »Tue das Gute und meide das Böse!« Anders gesagt, das Gute verlangt aus sich selbst, das es getan wird. Zu einer Gewissensentscheidung kommt der Mensch, indem er angesichts dieses Prinzips auswählt. Was nun gut oder böse ist, bezogen auf die konkrete Handlung, hat der Mensch in der eigenen und der ihn umgebenden Natur auf vernünftige Art und Weise zu suchen. Das vor allem macht die vernünftige Existenz des Menschen aus.
Der Philosoph Kant verlagert die Kompetenz des Gewissens insofern mehr noch in das Innere des Menschen, als er dem Gewissen als praktischer Vernunft vor allem die Aufgabe der »sich selbst richtenden moralischen Urteilskraft« zumißt. Das Gewissen entscheidet, ob der Mensch etwas aus Neigung oder um des Guten willens tut.
Diese Einblicke in die Geschichte der Gewissensvorstellungen enthalten drei wesentliche Aussagen:

  • Das Gewissen ist ein Wissen um einen Anspruch.
  • Das Gewissen wird als verbindlich für das eigene Handeln erfahren.
  • Das Gewissen kann nicht ohne innere Not mißachtet werden.

Eine radikal andere Auffassung enthält eine Anklage gegen den Philosophen Ernst Bloch 1957 in der ehemaligen DDR: »….. Unser Gewissen ist gesellschaftlich formiert; wenn wir das nicht wissen, und es für einen unabhängig von der Gesellschaft arbeitenden Geigerzähler für Gutes und Böses halten, gehen wir grauenvoll in die Irre. Es kann für uns Genossen nur eine gesellschaftliche Instanz geben, das ist das Wohl der Arbeiterklasse und ihrer Partei.