In der protestantischen Lehre wird unter dem Begriff »Rechtfertigungslehre« die wohl wichtigste Erkenntnis der Reformation zusammengefasst: die Rechtfertigung des Sünders vor Gott nicht aufgrund von irgendeinem rechten Tun des Menschen, sondern allein aus dem Glauben, gemäß dem Römerbrief des Apostel Paulus Röm 3,22: »Die Gerechtigkeit Gottes kommt durch den Glauben an Jesus Christus« und Röm 1,17: »Denn im Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart aus Glauben zum Glauben, wie es in der Schrift heißt: Der aus Glauben Gerechte wird leben.“
Die Kernfrage der Rechtfertigung ist: Was ist entscheidend dafür, dass das durch die Sünde gestörte Verhältnis zwischen Gott und Mensch in Ordnung kommt? Geschieht das allein aus der von Gott geschenkten Gnade oder aufgrund der guten Werke des Menschen? Die Rechtfertigungslehre antwortet darauf, dass der Mensch sich vor Gott nichts verdienen kann durch eigene Leistungen, gute Werke, Verdienste, Ablasszahlungen u.ä.; die zwischen Mensch und Gott durch die Sünde gestörte Beziehung wird allein von Gott her wieder hergestellt, weil er sich dem Menschen aus seinem freien Willen heraus in Gnade zuwendet. Gute Werke eines Menschen sind dann Frucht und Folge des Glaubens.
Martin Luther erkannte diese Zusammenhänge in seinem Arbeitszimmer im Turm des schwarzen Klosters zu Wittenberg. Daher nennt man diese Stunde das »Turmerlebnis«. Es ist die eigentliche Geburtsstunde der Reformation; denn ohne dieses Turmerlebnis gäbe es weder einen Thesenanschlag noch das Bekenntnis vor dem Reichstag zu Worms.
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