10. August 70 nach Christus: Römische Truppen unter dem späteren Kaiser Titus zerstören Jerusalem nach wochenlanger Belagerung. Damit fand der Aufstand der Juden gegen die römische Besatzungsmacht ein Ende. Viele Bibelforscher sind sich sicher, dass sich zum Beispiel in den Klageworten Jesu über Jerusalem (Lukas 19, 41-48) oder im Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Matthäus 21, 33-46) die Erfahrung dieser Zerstörung spiegelt. Spätere christliche Theologen haben die Zerstörung Jerusalems und die danach einsetzende Auswanderung vieler Juden aus Israel als Strafe Gottes an Israel interpretiert, weil es die Botschaft von Jesus nicht annahm.
Traditionell wird der Zerstörung Jerusalems am 10. Sonntag nach Trinitatis gedacht. Seit Beginn des jüdisch-christlichen Dialogs nach dem Zweiten Weltkrieg steht in vielen Gemeinden an diesem Sonntag das Verhältnis von Juden und Christen im Mittelpunkt. Dabei erinnern sie sich heute in erster Linie selbstkritisch des christlich motivierten Antijudaismus, ohne den der Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts nicht denkbar ist.