lat. visio= Gesicht, Schau
- 1. Geistige Schau. Halluzination des Gesichtssinns, der gewöhnlich den Charakter einer Offenbarung oder zumindest einer besonderen Erfahrung besitzt.
- 2. Hellsichtige V.: Ein optisches, außersinnlich wahrgenommenes Bild, oder eine Bilderfolge, das während des Erlebens als wirklich empfunden wird. Sie richtet sich auf räumlich Entferntes, Zukünftiges oder Vergangenes. Bisweilen sind Visionen von persönlicher oder individueller Bedeutung, häufig jedoch haben sie einen allgemeineren Charakter, der einen Stamm oder einen Gesellschaftsteil betreffen kann. Letzteres zeigt sich im Mitteilungsbedürfnis des Visionärs.
Dieses bildhafte Sehen im Wach- oder Trancezustand ist häufig nicht klar vom Traum zu unterscheiden. Es ist die typische Form des Offenbarungsempfanges von Apokalyptikern (siehe Apokalyptik), während für den Propheten eher der Wortempfang (siehe Auditionen, siehe Jer 1,4) typisch ist. Aber für das alttestamentliche Denken lässt sich beides nicht trennen: alle Wahrnehmungssinne können am Offenbarungsempfang beteiligt sein. Ein solches »Gesicht« mag sich an alltäglichen Dingen entzünden, z.B. an einem Mandelbaumzweig (Jer 1,11), der dem Beobachter plötzlich zum Symbol für hintergründige Vorgänge wird. Weitere Sinne werden angesprochen, so das Schmecken in Ez 3,3 und Tasten in Jer 1,9. Ziel jeder alttestamentlichen Vision ist das Wort Jahwes, so dass man von einer »Wortschau« bei den Propheten sprechen kann. Die im NT berichteten Visionen sind denen aus dem AT sehr ähnlich (siehe Mk 1,10; Apg 10,1-11). Inhalt der Visionen sind hintergründige Wirklichkeiten, die dem normalen Sterblichen unsichtbar bleiben, aber auch vordergündige Vorgänge über Entfernungen von Ort und Zeit hinweg.