Prophetisches Berufungsschema


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Altes Testament

Die Berufung der meisten Propheten folgt im AT einem festen Schema, das aus sechs Teilen besteht:

1) eine Erscheinung,
2) ein göttlicher Auftrag,
3) ein Einwand des Berufenen,
4) ein zweiter Auftrag,
5) eine Wunderhandlung und
6) ein Zeichen.

Exemplarisch ist dieses Schema in Jer 1,1ff angewendet. Gott erscheint dem Jeremia (1) und trägt ihm auf, am Tempel zu Israel zu reden (2). Jeremia wendet ein, er sei zu jung (3). Gott wiederholt seinen Auftrag (4), berührt Jeremias Mund und „öffnet« ihn (5). Dann zeigt er ihm, was seine Worte bewirken werden (6). Ähnlich auch Jes 6.

Neues Testament

In wenigstes zwei Fällen treffen wir auch im NT auf das Berufungsschema. So ist die Beschreibung von Maria Heimsuchung (Lk 1,1ff) ist nach eben diesem Schema ausgerichtet. Es erscheint der Erzengel Gabriel (1). Er »beauftragt« Maria, den Sohn Gottes zu gebären (2), sie wendet ein, dass sie noch keinen Mann erkannt habe (3), Gabriel wiederholt seinen Auftrag (4). Der Heilige Geist kommt über sie (5). Zuletzt wird in der Schwangerschaft der unfruchtbaren Elisabeth ein Zeichen gesetzt (6).

Zum Verständnis, weshalb Lukas der Maria das Prophetenamt zuerkennt, müssen wir uns eine Perikope beim Propheten Ezechiel vergegenwärtigen (Ez 2,28-3,3). Ezechiel soll eine Buchrolle essen, um dann den Inhalt, das Wort Gottes zu verkündigen. Walter Zimmerli kleidet diese Szene in die treffenden Worte »Der Prophet geht schwanger mit dem Wort Gottes«. Genau das, und zwar im wörtlichen Sinne, trifft auf Maria zu.

Auch Johannes wendet das prophetische Berufungsschema an: Die Hochzeit zu Kana (Joh 2,1ff). In diesem Falle ist es Jesus, der in der Rolle des berufenen Propheten steht. Maria dagegen leiht dagegen Gott gewissermaßen ihre Stimme.