Otto Weidt


CC-BY  Mario Reinhardt Nachschlagen

Otto Weidt wuchs als Sohn eines Rostocker Tapezierers und Polsterers in bescheidenen Verhältnissen auf. Die Familie siedelte nach Berlin über, wo Otto Weidt den Beruf des Vaters erlernte. Im Ersten Weltkrieg gelang es dem überzeugten Kriegsgegner, sich aufgrund eines Ohrenleidens dem Wehrdienst zu entziehen.
Nach seiner fast vollständigen Erblindung wurde er Bürstenmacher und eröffnete Anfang der 40er Jahre eine Besen- und Bürstenbinderei in der Rosenthaler Straße 39. In seiner Werkstatt wurden »wehrwichtige« Produkte hergestellt. Er verkaufte sie nicht nur an die Wehrmacht, sondern auch auf dem Schwarzmarkt. Auf diese Weise organisierte er Lebensmittel für seine jüdischen Arbeiter. Als im Oktober 1941 die Deportationen der Juden (Abtransport in Konzentrationslager und Vernichtung der Juden) einsetzten, versuchte Otto Weidt die Arbeiter seines Betriebs als unentbehrliche Arbeitskräfte den Nazis gegenüber zu verteidigen. Er bestach die Gestapo, die Arbeitsverwaltung und Spitzel. Den Verfolgten verhalf er mit gefälschten Papieren zu einer neuen Identität. Im Februar 1943 gelang es Otto Weidt, seine zur Deportation bestimmten Arbeiter aus dem Sammellager in der Großen Hamburger Straße zurückzuholen. Einigen ermöglichte er das Untertauchen. Alice Licht, der er sehr nahestand, wurde verraten und nach Auschwitz deportiert. Das ließ dem mutigen Man keine Ruhe. Er schrieb an die Verwaltung des Lagers und bat um die Gunst, seine Waren vorstellen zu dürfen. Die List gelang und die SS gewährte Weidt die Erlaubnis, seine Besen, Schrubber und Handfeger persönlich vorzustellen. Doch Alice Licht war bereits in das Lager „Christianenstadt“ verlegt wurden. Unerschrocken fuhr Weidt in diese Stadt, mietete ein Zimmer und hinterlegte Geld und Kleidung. Durch einen polnischen Mittelsmann gelang es ihm, Alice Licht zur Flucht zu verhelfen. Sie überlebte den Krieg im Versteck bei Weidt und emigrierte später nach Amerika.
Nach dem Krieg unterstützte Otto Weidt bis zu seinem Tode 1947 den Aufbau eines jüdischen Waisenhauses und Altersheims für Überlebende der Konzentrationslager.
Sicherlich wäre nie bekannt geworden, was Weidt unter Einsatz seines Lebens für viele Menschen getan hat, wenn nicht unter den Beschäftigten seiner Blindenwerkstatt die spätere Schriftstellerin Inge Deutschkorn gewesene wäre. Sie würdigte in ihren Büchern den mutigen und selbstlosen Einsatz von Otto Weidt. Außerdem sorgte sie dafür, dass Weidt die höchste Auszeichnung des Staates Israel für Nichtjuden erhielt. Von der Holocaust- Gedenkstätte „Yad Vashem“ wurde er zum »Gerechten unter den Völkern« ernannt.