Mensch (Hinduismus)


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Metaphysische Spekulationen über die Herkunft und Beschaffenheit des Menschen haben das indische Denken nie so sehr interessiert. Philosophisch wird allgemein die Auffassung vertreten, dass unsere empirische Sicht des Menschen nicht identisch mit dessen wirklicher Seinsnatur ist. Das essentielle oder wirkliche Selbst (âtman [siehe atman]) des Menschen ist verschieden von den sinnlich wahrnehmbaren Komponenten oder Faktoren, die ihn in seiner physischen Erscheinung ausmachen. Die Seele ist das eigentliche »Selbst« (âtman), dieweil der Körper (r?pa) nur das Gefäß der Seele darstellt. Dieser âtman wird mit dem brahman, der überindividuellen Weltseele, als eine Einheit gedacht. Hier geht es also nicht wie im Christentum um die Einheit von Leib und Seele, sondern um die Verbindung der individuellen Seele mit der überindividuellen Allseele, wobei dem physischen Körper keinerlei Bedeutung zukommt.

Soziologisch besteht eine Einteilung der Menschen in die Hierarchie der Kasten (varna). Jedes Individuum hat seine angeborene Natur (svabhâva), der gemäß zu leben seine Pflicht (svadharma) ist. Der Mensch ist eingeordnet in die durch persönliches Karma erwirkte Kastenzugehörigkeit (siehe Kastensystem), die einerseits soziale Sicherheit und Schutz vor Vereinzelung garantiert, andererseits aber wenig Raum für Individualität und personale Entscheidung im sozialen Kontext zulässt. Dieser karmisch bedingte Determinismus bereitet dem westlichen Betrachter erhebliche Denkschwierigkeiten und wird die indische Daseinsauffassung von daher immer wieder als »fatalistisch« fehlinterpretiert.

Begriffe wie »Personsein« und »Individualität« sind dem indischen Denken in ihrer westlichen Konnotation fremd, da der Mensch durch sein Karma in einen vorherbestimmten sozialen Kontext hineingeboren wird. Anders als im Judentum, Christentum und Islam besteht im Hinduismus jedoch keine unauflösbare Bindung an die eigene Religion. In seiner geistig-religiösen Entscheidung ist der Hindu (das Gleiche gilt auch für den Buddhisten) frei und nicht der Tradition verpflichtet, in die er hineingeboren wird. Wir treffen hier also auf ein Nebeneinander von sozialer Bindung (Kastenzugehörigkeit) und religiöser Unabhängigkeit, während in der christlichen Tradition keine durch Geburt erworbene soziale Zuweisung besteht, hingegen die Religionszugehörigkeit durch die unauflösliche Taufe besiegelt wird.