Leid kann einem Menschen auf vielfältige Weise widerfahren. Er leidet unter Schmerzen, unter Trennungen, unter Lebensumständen… . Die Frage, ob die Welt ohne Leid nicht eine bessere Welt wäre, ist denkbar, aber nicht realistisch. Leid ist eine Gegebenheit, die grundsätzlich existiert und gegebenenfalls in den menschlichen Alltag aufgenommen werden muss. Wenn es also nicht möglich ist, das Leid abzuschaffen, muss jeder versuchen, einen konstruktiven Weg für sich zu finden, um das Leid zu ertragen und zu bewältigen.
Das Herkunftswörterbuch macht darauf aufmerksam, dass die Wörter „Leid“ und „leiden“ ursprünglich nicht zusammenhängen. „Leid“ bedeutet immer schon: Bedrückung, Schmerz, Krankheit, während „leiden“ ursprünglich meinte: gehen, reisen, durchmachen, erfahren. Hier ist eine Deutung des Leids eingeschlossen: Das Wesentliche am Leiden ist nicht, dass etwas weh tut oder quält, sondern dass etwas durchgemacht wird, dass der Mensch unterwegs ist, in Gang kommt, sich verändert.
Das „Eigentliche“ am Leid ist wohl nicht die äußere Situation, sondern die mangelnde bzw. falsche Beziehung dazu. Leid ist vor allem Beziehungslosigkeit, ist Isolation. In dem Maß, in dem ich zu meinem Leid, also zu dem, was mich bedrückt, eine Beziehung bekomme, lässt der Druck nach. „… Vielleicht kann ich doch dann und wann meine Leidsituation umdeuten als Möglichkeit zur persönlichen Reifung.“ (E. Gruber in „Sich finden“).
Drei Worte hängen eng zusammen und stehen für dasselbe Geschehen: LEBEN, LIEBEN, LEIDEN. „Das Ja zum Leben ist das Ja zum Lieben und das Ja zum Leiden. Wenn man immer wieder versucht, sich zu diesem Ja durchzuringen, sollte man sich bewusstmachen, das meist alles anders kommt, als man denkt: das Leben, das Lieben und das Leiden. … Je freier ein Mensch ist, desto weniger „muss“ er an seinen Situationen und Schicksalsschlägen leiden. Je unreifer ein Mensch ist, desto schwerer muss er leiden, um frei zu werden.“ (E. Gruber in „Sich finden“) Da es kein Rezept gibt, sich vom Leid generell zu befreien, muss man es durch- leiden. Warum das so ist, weiß keiner. Es ist jedoch der einzige Weg zur Befreiung.
siehe Hinweise zum Umgang mit leidenden Menschen