Gerechter Krieg


CC-BY  Ingo Koll Nachschlagen

theologische, juristische und philosophische Lehre. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, unter welchen Umständen ein Krieg und die Beteiligung daran gerechtfertigt werden kann.

  • 1. Begriff:

Die Wurzeln des Begriff stammen aus dem antiken Rom (Cicero). In der christlichen Theologie wurde der Begriff von Augustin im 5. Jahrhundert entwickelt und dann im Mittelalter zur offiziellen Lehre der katholischen Kirche erhoben (siehe Katholische Kirche). Die Kirchen der Reformation haben weithin an der Idee festgehalten (lt. Art. 16 Confessio Augustana dürfen Christen im Amt der Obrigkeit »rechtmäßig« Krieg führen). Die orthodoxe Kirche (siehe Orthodoxe Kirche) hat diese Lehre nicht entwickelt. Die Täuferbewegung und die Böhmischen Brüder lehnten das Kriegführen für ihre Christen ab. In der Neuzeit wurde durch den niederländischen reformierten Christen Grotius eine rechtsphilosophische Fassung dieser Lehre fortgeführt, die zu einer Grundlage des modernen Völkerrechts wurde.
Sowohl bei der Lehre vom gerechten Krieg als auch im modernen Völkerrecht geht es um die Zähmung des Krieges, indem man versucht, ihn Regeln und Beschränkungen zu unterwerfen. Deutsche Protestanten gingen nach dem 2. Weltkrieg auf Distanz zu der Vorstellung, aber in der katholischen Kirche spielt sie weiterhin eine Rolle (Katechismus 2000) und wird auch im englischsprachigen Raum im Zusammenhang mit den Kriegen in Jugoslawien und Irak sowie der Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terrorismus benutzt (siehe Dschihad).

  • 2. Klassische Kriterien eines »Gerechten Krieges:

(die Zählung schwankt in dieser sehr alten Diskussion)

a) Es muss einen gerechten Grund geben, und dieser muss schwerwiegend genug sein (iusta causa). Als solch ein Grund gilt Selbstverteidigung gegen erlittenes oder drohendes Unrecht.

b) Das Kriegsziel muss zu rechtfertigen sein, also Wiederherstellung des Friedens, nicht aber Unterwerfung, Rache etc. (intentio recta).

c) Es muss eine befugte Staatsmacht (legitima potestas) sein, die den Entschluss zum Kriege fasst (im Mittelalter war dies ein zentrales Argument zur Bekämpfung der Fehde zwischen Adligen – local warlords sagt man heute dazu und beobachtet mit Erschrecken das Umsichgreifen dieser für überholt gehaltenen Form in Gestalt der sog. »neuen Kriege« ).

d) Ein Krieg muß das letzte Mittel sein, nachdem alle anderen Wege ausgeschöpft wurden (ultima ratio).

e) Die Verhältnismäßigkeit der Mittel muss beachtet werden, der Schaden der Abwehr darf nicht größer sein, als der abzuwehrende Schaden (debitus modus).

f) Von diesem Argument wird manchmal getrennt: die vernünftige Hoffnung auf Erfolg. Ohne hohe Wahrscheinlichkeit auf Erfolg rechtfertigt auch Selbstverteidigung weder Zerstörungen noch Tötungen. Ein aussichtsloser Widerstand ist nicht gerecht.

g) Bisweilen wird auch aufgeführt: die Kriegsführung muss zwischen Beteiligten und Unbeteiligten unterscheiden.

  • 3. Kritik:

Der Begriff wird dahingehend kritisiert, dass seine Kriterien nicht durchführbar seien und deshalb auch immer wieder durch Täuschung oder Selbsttäuschung seitens der Kriegsparteien ad absurdum zu führen waren, sodass oft nur Rechtfertigungsargumentationen für Kriegsführung und Soldatengehorsam dabei heraus kamen.

Dennoch lohnt sich die Beschäftigung mit der Theorie, weil sie immer wieder herangezogen wird. In der aktuellen Lage (2003) wird sowohl versucht, die Kriegspläne gegen den Irak als auch die Opposition gegen diese Pläne im Lichte der Lehre vom gerechten Krieg zu begründen. Der neue katholische Katechismus argumentiert mit der Aufnahme und Weiterführung der Idee, um jeglichen Angriffskrieg sowie den Einsatz von Atomwaffen grundsätzlich zu ächten.