Mit dem Hungertuch hat das Hilfswerk Misereor eine alte Tradition belebt. An den tausend Jahre alten Brauch, vor Ostern den Altarraum der Kirche mit einem Hungertuch zu verhängen, erinnert noch die Redewendung »am Hungertuch nagen. Oft waren die Tücher mit Bildern aus der Leidensgeschichte Jesu (siehe Passionsgeschichte) bestickt und sollten die Christen während der Fastenzeit zu einem intensiveren Glauben mahnen. Weil die großen Hungertücher aus mehreren Teilen zusammengenäht wurden, entstand zunächst die Wendung »am Hungertuch nähen. Als der Brauch in Vergessenheit geriet, verwandelte sich das »Nähen« jedoch zum »Nagen. Dieses Wort war mit »Hunger« leichter in Verbindung zu bringen.
Misereor griff den Brauch Mitte der 70-er Jahre wieder auf. Sein Ziel ist es, Künstler aus der Dritten Welt alle zwei Jahre ein Glaubenszeugnis aus ihrem Kulturkreis schaffen zu lassen. So soll den Menschen in Deutschland während der Fastenzeit ein Anstoß für ihren Glauben gegeben werden. Zudem möchte das Hilfswerk die Gemeinschaft zwischen den Menschen der »Ersten« und der »Dritten Welt« aufzeigen. Eine weitere Absicht ist es, den religiösen und kulturellen Reichtum der wirtschaftlich unterentwickelten Länder sichtbar zu machen. Das Hungertuch zeigt, dass die Misereor-Aktion keine Einbahnstraße in Richtung arme Länder ist. Während der letzten 20 Jahre ist das Hungertuch in Deutschland zu einem festen Bestandteil der Fastenzeit geworden. Es wird in vielen Kirchen aufgehängt und kleinere Abbildungen finden sich in Pfarrhäusern, Schulen, Kindergärten und Wohnungen. Sie sind Anregung für Predigten, Gottesdienste und Hilfsaktionen.
Alle Misereor-Hungertücher sind in der Artothek ausgestellt:
siehe Hungertuch-Räume