Konfuzianismus (Philosophie)


CC-BY  Francesco Ficicchia Nachschlagen

Die Lehre des K’ung Fu-tse (552-479 v.Chr.) [siehe Konfuzius ist die latinisierte Form] zählt zu den einflussreichsten Geistesströmungen der Menschheitsgeschichte.

Ihr herausragendes Merkmal besteht in der Hinwendung zum Menschen und auf das praktische Leben. An erster Stelle steht die Wohlfahrt des Menschen und seine Einbindung in Familie, Gesellschaft und Staat. Die Lehre des Konfuzius umfasst somit im Wesentlichen eine Sammlung von Verhaltensgrundsätzen und moralischen Vorschriften.

Der siehe Konfuzianismus ist nicht Religion im eigentlichen Sinne; er beruft sich auf keine Gottheit, kennt keine siehe Eschatologie (Lehre von den Letzten Dingen) und keine ausgebildete siehe Metaphysik (Lehre von den letzten Gründen und Zusammenhängen des Seins). Er ist in erster Linie Ethik (Moralphilosophie) und Gesellschaftslehre. Auch eine Logik als besondere philosophische Disziplin kennt der Konfuzianismus nicht. Allgemeine und abstrakte Regeln des Denkens stehen nicht im Vordergrund, sondern das selbstständige und richtige Denken, dessen sich der Mensch befleißigen soll.

Das Ideal des Konfuzianismus ist nicht der weltabgewandte, asketische Heilige nach indischem Vorbild, sondern der abgeklärte, sich selbst und die Welt kennende und in allem das richtige Maß haltende Weise. Kontinuierliche Selbsterziehung, sittlicher Ernst in allen Lebenslagen, Respekt gegenüber sich selbst und andern, vorbildliches Verhalten und aufrichtiger Umgang mit den Mitmenschen sind die bestimmenden Merkmale, die den Edlen auszeichnen. Dieser ist gehalten, Güte mit Güte und Schlechtigkeit mit Gerechtigkeit zu vergelten, seinen Charakter zu formen und anderen zu helfen, den ihren zu bilden. Bei allem steht das Prinzip der inneren und äußeren Harmonie im Zentrum allen Tun und Lassens. Diese Maximen gelten nicht nur für den Einzelnen, sondern auch und in erster Linie für die Regierenden, denen eine besondere Vorbildfunktion zukommt. Doch um Ordnung im Staate und gesellschaftliche Wohlfahrt herbeizuführen, muss zunächst jeder bei sich selbst beginnen. In einem Text des K’ung-Fu-tse heißt es:

»Wenn die Alten die lichte Tugend offenbar machen wollten im Reiche, ordneten sie zuvor ihren Staat; wenn sie den Staat ordnen wollten, regelten sie zuvor ihr Hauswesen; wenn sie ihr Hauswesen regeln wollten, vervollkommneten sie zuvor ihre eigene Person; wenn sie ihre eigene Person vervollkommnen wollten, machten sie zuvor ihr Herz rechtschaffen; wenn sie ihr Herz rechtschaffen machen wollten, machten sie zuvor ihre Gedanken wahrhaftig; wenn sie ihre Gedanken wahrhaftig machen wollten, vervollständigten sie zuvor ihr Wissen.«

Von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung und Stärkung von Staat und Gesellschaft ist die Erziehung, die wesentlich als eine Erziehung zu Anstand und Sitte ist.

Das Grundmotiv des Konfuzianismus – und des philosophischen Denkens der Chinesen ganz allgemein – besteht im Streben nach Harmonie, in der Wahrung des Gleichgewichts und im Einklang von Mensch und Natur. Aus diesem Harmoniestreben resultiert die Abneigung gegen jede Einseitigkeit und extreme Ansichten. Das Beharren auf divergierenden Standpunkten von sich weisend, besteht das Ziel in der Herstellung einer die Gegensätze überbrückenden Synthese.

Die sinische, d.h. die vom chinesischen Denken geprägte Kultur Ostasiens ist das deutliche Gegenstück zur Konfliktkultur des Westens, in der Selbstbehauptung (Eigendurchsetzung, Individualismus [= Egoismus]) und das offene Austragen von kontroversen Ansichten bestimmend sind. Der Konfuzianismus – und mit ihm auch der siehe Taoismus [vgl. auch siehe Taoismus (Philosophie)] und siehe Buddhismus – ist dagegen auf Ausgleich und Harmonie angelegt. Handfeste Manieren, starres Insistieren und lautes Auftreten als unschicklich verwerfend, verweist er auf Selbstachtung, Anstand, Respekt und vor allem auf Wahrung des Gesichts.

Das konfuzianische Denken lässt sich zusammenfassend wie folgt charakterisieren:

  • Die Ausrichtung auf den Menschen und seine Einbindung in Familie, Staat und Gesellschaft;
  • die richtige Gestaltung des Lebens durch Selbstvervollkommnung, Sittlichkeit und Disziplin;
  • die Genügsamkeit, das Maßhalten und die Stärkung der inneren und äußeren Harmonie.

Der Konfuzianismus unterscheidet sich nach den Worten von Graf Hermann Keyserling vom Westen, der bisher höchsten »Könnenskultur« dadurch, dass er die bisher höchste allgemeine »Seinskultur« erschaffen hat.

Der Konfuzianismus verbreitete sich von China ausgehend über ganz Ost- und Südostasien (Korea, Japan, Taiwan, Vietnam, Singapur) und ist die – neben dem Buddhismus und dem Taoismus – bestimmende Philosophie und Lebensauffassung eines großen Teils der östlichen Hemisphäre. In ihren Ländern besteht zumeist ein siehe Synkretismus von Konfuzianismus, Buddhismus und Taoismus, der sich in Japan auch mit Elementen des siehe Shinto verbindet.