Gewaltlosigkeit


CC-BY  Heinz-Jürgen Deuster Nachschlagen

Mahatma Gandhi begründete 1920 mit seiner Theorie der Gewaltlosigkeit und der Noncooperation (ziviler Ungehorsam) gegenüber den britischen Kolonialherren seine erste Kampagne der sogenannten Satyagraha (wörtl: Festhalten an der Wahrheit):

Ich glaube Folgendes: Wo nur eine Wahl besteht zwischen Feigheit und Gewalt, da rate ich zur Gewalt. Als mein ältester Sohn mich einmal fragte, was er hätte tun sollen, wenn er dabei gewesen wäre, als ich im Jahre 1908 beinahe umgebracht worden wäre: ob er hätte weglaufen und es ruhig mit ansehen sollen, wie ich getötet würde, oder ob er hätte Brachialgewalt anwenden sollen, um mich zu verteidigen, da habe ich ihm geantwortet: es wäre dann seine Pflicht gewesen, mich auch unter Anwendung von Gewalt zu schützen… Ich würde lieber Indien zu den Waffen greifen sehen, um seine Ehre zu verteidigen, als dass es in Feigheit der Zeuge seiner eigenen Entehrung werden würde.
Aber ich glaube eben, dass die Gewaltlosigkeit der Gewalt unendlich überlegen ist… Stärke entspringt nicht der physischen Macht. Sie entspringt einem unbezähmbaren Willen…
Ich habe es gewagt, Indien das alte Gesetz der Aufopferung aufzuerlegen. Denn Satyagraha und was sich daraus ableitet, Noncooperation und ziviler Widerstand, sind nichts als neue Namen für das Gesetz des Leidens… Gewaltlosigkeit ist eine dynamische Bedingung, die bewusstes Leiden bedeutet. Sie bedeutet nicht, sich dem Willen des Übeltäters zu unterwerfen, sondern sie bedeutet, daß man die ganze Kraft seiner Seele dem Tyrannen entgegensetzt. Wer sich durch dieses Gesetz unserer Art bestimmen lässt, ist fähig, ganz für sich allein einem ganzen ungerechten Empire zu widerstehen, seine Ehre, seine Religion und seine Seele zu verteidigen und so den Grund zu legen zum Sturz und zur Regeneration dieses Empire.
Und darum empfehle ich Indien nicht Non-Violence, weil es schwach ist. Ich will, dass es Non-Violence übt im Bewusstsein seiner Stärke und Macht. Um diese zu begreifen, benötigt es keine Übung in den Waffen. Nur scheinbar brauchen wir diese, weil wir annehmen, dass wir bloß ein Klumpen Fleisch sind. Ich möchte, daß Indien erkennt, dass es eine unzerstörbare Seele hat, die sich triumphierend über alle physische Schwäche erheben und dem Zusammenwirken einer ganzen Welt trotzen kann…
Meine Religion hat keine geographischen Grenzen. Wenn ich lebendigen Glauben an sie habe, dann wird dieser selbst über meine Liebe zu Indien hinausschreiten. Mein Leben ist dem Dienst an Indien durch die Religion der Non-Violenz geweiht, die, wie ich glaube, die Wurzel des Hinduismus ist.«