Überlieferung (Christentum)


CC-BY  Heinz-Jürgen Deuster Nachschlagen

Mit der Überlieferung (Tradition) meint man die mündliche und schriftlich Aufnahme und Weitergabe eines Textes, einer Verkündigung. Wie in jeder Gemeinschaft war es auch in Israel üblich, speziell das religiöse Wissen durch eine Reihe von »Tradenten« (Überlieferer) weiterzugeben. So übermittelten die Priester dem Volk die Tora (Unterweisung, Gesetz). nach dem siehe Babylonisches Exil waren es vor allem die Schriftgelehrten, in deren Kreisen die sogenannte »mündliche Überlieferung« (im Unterschied zur Tora) entstand. Hier wurde die rabbinische Tradition als Halacha und Haggada mit strenger Genauigkeit von Lehrer auf Schüler generationenlang weitergegeben. Der von den Synoptikern verwendete Ausdruck »Überlieferung der Alten« (Mk 7,5) enthält eine Anspielung auf diese rabbinische Tradition.
Im Urchristentum wuchsen die verschiedensten Überlieferungen (z.B. Jesusworte, Streitgespräche, Wunderberichte) zu katechismusartigen Gebilden zusammen, bis sie von den Evangelisten, (siehe auch Zwei-Quellen-Theorie) zusammengefasst wurden (siehe Lk 1,1f). Neben Verkündigung und Unterweisung ist vor allem der Gottesdienst eine wichtige Quelle christlicher Traditionsbildung (liturgische und christologische Formeln, Lieder, Hymnen, Abendmahlstradition). Die Spätzeit des NT (z.B. die Pastoralbriefe) zeigt dann, dass Episkopen und Presbyter die Aufgabe der Bewahrung und Weitergabe der »gesunden Lehre« im Sinne der »richtigen«, d.h. der rechtsgläubigen Lehre übernommen haben. Der Prozess der Kanonisierung (siehe Kanon) legitimer christlicher Überlieferung mit der Berufung auf die Apostolizität als Garant legitimer Tradition (gegenüber Häretikern) schließt gewissermaßen eine Epoche ab. Das Problem von Schrift und Tradition war dann vor allem in der Reformationszeit wieder aktuell.